Warum tust Du mir das an?

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Investigativ:
Christian stellt Sarah ausführlich zur Rede

Seit zwei Wochen trainiere ich nun nach dem von Sarah entworfenen Trainingsplan. Mittlerweile sind mir die Bezeichnungen der Übungen auch einigermaßen vertraut. Höre ich das Wort Intervalltraining, denke ich an 20 Minuten Training auf dem Laufband. Lese ich das Wort „Hyperextension“, tun mir sofort die Waden weh und mein unterer Rücken spannt sich an. Das ist der Rückenstrecker, wie ich mittlerweile weiß. Der klappt bei mir nicht so. Heute will ich Sarah aber mal ausführlich auf den Zahn fühlen und von ihr wissen, was sie da mit mir macht.

Hallo Sarah, erst einmal vielen Dank, dass Du mir hilfst und Deine Freizeit für mich opferst. Daher als erstes die ewige Frage: mein Leiden wozu?

Sport und Bewegung schaden nie. Selbst wenn Du heute noch keine körperlichen Probleme hast, solltest du präventiv aktiv werden. Du sitzt jeden Tag 9 Stunden nahezu unbeweglich vor Deinem Computer und feierabends hingestreckt auf dem Sofa. Das schreit nach Ausgleich. Außerdem ist mir zu Ohren gekommen, dass Du Dich für Deinen Sommerurlaub strandfit machen möchtest…

Und dschungelfit! Als nächstes eine Frage der Ehre – ich kann die Wahrheit vertragen – wie mache ich mich bisher?

Ich muss gestehen, dass ich vor allem von den ersten beiden Trainingseinheiten positiv überrascht war. [Ha!] Ohne viel Murren hast Du alles gemacht, was ich Dir gesagt habe. [Mache ich sonst auch.] Ich hatte mich auf viele „Warums“ eingestellt, doch die blieben aus. Mittlerweile bin ich mehr Beobachter als Antreiber, muss aber auch feststellen, dass Dein Trainingseifer bei einigen Übungen etwas nachgelassen hat. Dein Einsatz beim TRX-Schlingentrainer und auf der Matte ist überschaubar, während man bei Deinem Bike-Training schon von Übereifer sprechen kann, vielleicht weil Du da sitzen und lesen kannst.

Christians Trainingsplan zum Nachturnen zu Hause

Ambitioniert: Christians Trainingsplan zum Nachturnen zu Hause

Du hast mir einen bunten Strauß an Übungen zusammengestellt. Dazu nur zwei Dinge: Ich fange immer auf dem Laufband an, um mich aufzuwärmen. Reicht meine Fahrradtour von der Arbeit nicht? Und zweitens mache ich ja viel Krafttraining, warum muss ich mich dafür auf dem Laufband aufwärmen?

Deine Fahrradtour geht nur bergab, da würde ich gerade mal von „aktiver Mobilisation“ sprechen, aber nicht von Aufwärmen. Dein Krafttraining ist mit vielen Wiederholungen und kurzen Pausen auf das Training der Kraftausdauer ausgelegt. Es ist ein Ganzkörpertraining, bei dem Du Muskeln aufbaust und hoffentlich Kalorien verbrennst, schließlich hattest Du mich ja gebeten, dass ich Deinen Alltag nicht zu sehr ändere.

Grundsätzlich könnten wir das Aufwärmen auch ausfallen lassen, aber ich habe gute Erfahrung damit gemacht, den Körper erstmal auf Touren zu bringen, um den Stoffwechsel anzuregen, bevor man sich an ein Kraftgerät setzt.

Die erste Kraft-Übung ist am Hyperextension bzw. Rückenstrecker. An dem scheiterte ich ja mit Bravour. Warum bekomme ich die Übung nicht hin und warum tun mir bei einer Rückenübung die Beine weh?

Bis zum Rücken kommt der Schmerz bei Dir gar nicht. 🙂 Ich würde sagen, Du bist zu „strack“ [das sagt der Duden dazu], aber das verstehen hier wahrscheinlich die wenigsten. Beweglichkeit und Dehnfähigkeit sind nicht gerade Deine Stärken. Deine Oberschenkelrückseite ist stark verkürzt und unbeweglich, wie Du bei der Fitnessanalyse festgestellt hast. Du schaffst es nicht, bei gestreckten Beinen Deine Zehenspitzen zu berühren und der Bauch ist nicht der Grund dafür. Bevor wir die Übung wieder in Deinen Plan integrieren, müssen wir an Deiner Beweglichkeit arbeiten.

Fokussiert: Christian rudert ausnahmsweise nicht am TRX

Fokussiert: Christian rudert ausnahmsweise nicht am TRX

Ich habe auch beim Rudern am TRX gekniffen: Der Boden ist viel zu rutschig – natürlich. Wir haben den TRX durch den Mid Row an der Kraftstation ersetzt. Wieso fällt mir der leichter?

Boden rutschig, Licht blendet, TRX besetzt, zu wenig Platz. Ich kann Dir noch zahlreiche andere Ausreden nennen, die davon ablenken, dass Dir die Übung einfach zu anstrengend ist. Und nicht WIR haben den TRX ersetzt, das warst DU …

Das Training am TRX bezieht immer den ganzen Körper mit in die Bewegung ein. Körperspannung ist das Schlüsselwort. Davon hast Du wenig. Ich würde Dich in einigen Bereichen sogar liebevoll als nassen Sack bezeichnen. [Komische Form von liebevoll.] Du arbeitest am TRX mit dem Körpergewicht und kannst durch die Position Deiner Füße die Intensität verändern. Ich glaube allerdings, dass es Dir unangenehm war, Dich nahezu senkrecht zu positionieren.

Allerdings, sieht doch doof aus vor den Leuten. Du hast mir Hyperextension (bzw. Low Back), Abdominal Crunch, Beinpresse, Latzug, Rudern am TRX (Mid Row), Brustpresse am TRX und Unterarmstütz mit Beinheben verordnet. Kraftstationen bieten aber auch andere Übungen. Was genau trainiere ich alles?

Die Begriffe hast Du schon sehr gut auswendig gelernt, daher wird es Zeit, bald neue Übungen in Deinen Plan zu integrieren. Dein Krafttrainingsplan ist darauf ausgelegt, Deinen ganzen Körper zu kräftigen. Alle wichtigen Muskeln sollen angesprochen, bei Dir wohl eher aus dem Tiefschlaf geweckt werden. Rücken, Bauch, Brust, Beine und Arme werden trainiert. Bauch und vor allem Rücken sind ein Muss, deswegen absolvierst Du die Sätze an den Latzug-, Mid Row- und Lower Back-Stationen.

Du schmeichelst mir sehr. Ich mache jeweils drei Sätze mit 15-20 Wiederholungen am Gerät. Warum?

Du hast die Trainingspause vergessen! Auch sie spielt eine entscheidende Rolle bei der Trainingssteuerung. Je nach Trainingsziel passt man die unterschiedlichen Trainingsparameter an. Du bist blutiger Anfänger. Dein Trainingsziel ist in den ersten Wochen ein Ganzkörper-Grundlagentraining mit dem Trainingsziel: Verbesserung der Kraftausdauer. Dies ist die Basis für alles, was noch kommt.

Bei einigen Übungen habe ich die Einstellungen schon ein gutes Stück höher gesetzt. Ist mein gezeichnetes Ich wirklich besser geworden oder hab ich mich am Anfang einfach zu sehr angestellt?

Es ist ein bisschen von beidem. Du bist am Anfang etwas vorsichtiger an die Sache herangegangen, alles war neu, auch wenn Du die Geräte alle schon aus dem Shop kanntest. Mittlerweile sind Dir die Bewegungen bekannt und Du bist mutiger geworden. Du lernst langsam, Dich und Deine Kraft einzuschätzen. Nur weil Dein Kopf sagt, Du kannst nicht mehr, heißt es noch lange nicht, dass Deine Muskeln nicht mehr können. Vielleicht hast Du auch ein bisschen gelernt, Dich zu quälen und Du weißt endlich, warum Handtücher in Fitness-Studios Pflicht sind.

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Ja, dieser Kopf … Ich nutze nun erst einmal das Fitness-Studio, da stehen viele Geräte. Meinst Du aber, dass ich mit meinen Mitteln und meinem Platz nicht auch zu Hause trainieren kann, wo weniger Leute zugucken und mein Recumbent Bike blockieren?

Durchaus. Es gibt tolle platzsparende und an Deinem Geldbeutel ausgerichtete Fitnessgeräte für den Heimbedarf. Wahrscheinlich wird es bei Dir nicht der Schlingentrainer werden. [Noch nicht!] Aber vielleicht kannst Du Dich mit einem anderen Produkt anfreunden. Gute Ausdauergeräte gibt es mittlerweile für die kleine Wohnung und den schmaleren Geldbeutel. Beim Training zu Hause sehe ich bei Dir nur ein Problem: die Motivation! Wenn Dir keiner in den Hintern tritt und Dich antreibt. Ich weiß nicht, ob Dein Bücher-/Weinregal Dich nicht vielleicht ablenkt.

Wo siehst Du mich in drei Monaten? Iron Man auf Hawaii? L’Alpe d’Huez – Tour de France? Oder auf dem Boden der Tatsachen? Prognosen?

Erstmal hoffe ich, dass Du dabei bleibst, die 3 Monate durchhältst und dann weitermachst. Ich bleibe mit meinen Prognosen deshalb erstmal auf dem Boden der Tatsachen. Du wolltest Gewicht reduzieren und das wirst Du auch. Deinem Ziel strandfit zu sein, wirst Du auch einen Schritt näher gekommen sein. Was sich hoffentlich noch entwickelt, ist eine intrinsische Motivation. Die kann ich Dir nicht antrainieren. [Mein Mitbewohner war Psychologe, der hat das mit der Motiviation auch immer gesagt.] Die in der Frage formulierten Ziele brauchen ein anderes Training. Trainingshäufigkeit, -umfänge und -intensitäten müssten um ein Vielfaches gesteigert werden und die Integration in Deinen derzeitigen Lebensstil wäre undenkbar. Wir würden Dein Leben auf das Ziel ausrichten müssen. Du kannst Dir allerdings Deinen eigenen Iron Man oder Deine eigene Tour-de-France-Etappe schaffen. Setze Dir ein Fernziel, auf das Du hinarbeiten möchtest, aber bleibe dabei realistisch, dann klappt das.

Das klingt doch gut! Frau Strege, ich bedanke mich für dieses Interview.

Ich hatte vor dem Interview extra Kaffee für Sarah geholt und dann ist sie trotzdem ehrlich. Aber das ist auch gut so. Denn eins habe ich gelernt: Noch bin ich auf das fremdbestimmte „Du musst“ angewiesen, um motiviert zu bleiben. Andererseits: Ich war vergangenen Sonntag auch trainieren und habe zu Hause sogar einige Liegestütz gemacht. Hopfen und Malz sind noch nicht verloren. Und: Irre ich mich oder keuche ich schon weniger, wenn ich die Treppe zu meiner Wohnung erklimme?

One thought on “Warum tust Du mir das an?

  1. Andi

    Hallo, toller Artikel 🙂
    Ich muss wirklich sagen, dass er mich schon etwas motiviert! Wie schon beschrieben…das Schwierige ist das durchhalten (Besser länger als drei Monate :))
    Vielen Dank! Ich freue mich auf weitere Artikel!

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