Fahrradtour oder Ergometer: eine Studie in Scharlachrot

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Rindvieh Wellness gibt es natürlich
nur auf dem Fahrrad zu sehen

Ich mache mein Ausdauertraining ja auf dem Laufband oder dem Ergometer – meistens auf dem Ergometer. Selbst das Schwitzen mach ich lieber im Sitzen. Ich fahre aber auch verdammt gerne Fahrrad. So durch die Gegend und manchmal auch irgendwohin. Die Bewegungen sind bei Fahrrad und Ergometer gleich, beide sollten daher auch die gleichen Trainingseffekte haben. Wenn mir Fahrradfahren so viel Spaß macht, wäre für mein Fit werden mit Spaß dann das Fahrrad nicht die ideale Lösung?

Es wird Zeit für eine vollkommen subjektive Untersuchung. Warum subjektiv? Ich kann nicht für alle sprechen (und das will ich auch nicht), ich habe nicht die gleichen Ziele und Vorlieben wie alle. Ich bin kein Leistungssportler, der sich speziell auf Fahrradfahren vorbereiten will. Ich bin Thomas Mustermann oder vielleicht sein etwas wilderer Bruder Heinrich, aber immmer noch ein Mustermann. Aber vielleicht können andere sich etwas aus meinen Erfahrungen ziehen.

Ich werde einzelne Aspekte des Trainings mit entweder Fahrrad oder Ergometer herauspicken und vergleichen. Solche Vergleichslisten helfen mir oft ganz gut dabei, etwas Klarheit und Ordnung in die Gedanken zu bekommen und vielleicht hilft mir das auch bei der Frage, ob mit Spaß fit werden auf Fahrrad oder Ergometer leichter ist.

Versuchungen am Wegesrand

Eine der bösen Versuchungen auf der Fahrradtour

Eine der bösen Versuchungen auf der Fahrradtour

Bei einer Fahrradtour um die Schlei, des genauen Ortes erinnere ich mich nicht mehr, kamen wir an einer Kneipe vorbei, die so runtergekommen war, dass man sie auf St. Pauli wahrscheinlich für cool halten würde. Wenig später war es ein Café, das mit selbstgebackenem Kuchen lockte und frischen Kaffee bot. Und an der Missunder Fähre, wo wir etwas warten mussten, warb ein Kiosk mit Fischbrötchen und kühlem Gerstensaft um unsere Aufmerksamkeit und bekam sie. Gottlose Versucher, die das Training ernsthaft torpedieren. Das würde auf dem Ergometer wohl kaum passieren. Die einzigen lukullischen Versuchungen, denen man auf dem Ergometer erliegen kann, sind der cardiostrong Energieriegel oder die Wasserflasche. Fit werden – Vorteil Ergometer; mit Spaß – Vorteil Fahrrad.

Verfahren

Und dann stehste da auf irgendeinem Feld bei Büttenwarder

Und dann stehste da auf irgendeinem Feld bei Büttenwarder

Ich möchte es ganz diplomatisch formulieren, da ich nichts ausschließen möchte und es bekanntlich mehr Dinge zwischen Himmel und Erde gibt als unsere Schulweisheit sich träumen lässt. Daher sage ich es so: Wer es schafft, sich auf einem Ergometer zu verfahren, ist entweder ein Gott oder hat bei der Funktionsweise eines Ergometers etwas ganz grundlegend falsch verstanden. Auf einem Fahrrad sollte die Möglichkeit eines falschen Abbiegens jedoch nicht ausgeschlossen werden. Ein missverstandenes Schild und schon steht man in einem Mais- statt auf dem Schleswiger Stadtfeld. Doof, wenn einem der Holzweg erst nach einigen Kilometern auffällt. Aufgrund der schwereren Fahrtbedingungen auf irgendeinem Feld ist der Fit-werden-Aspekt hier auf dem Fahrrad ausgeprägter. Mehr Spaß macht es allerdings, sich auf dem Ergometer nicht hoffnungslos zu verfahren.

Lesen/Fernsehen

Das Verfahren auf dem Fahrrad kann man – ein kartographisches Mindestverständnis vorausgesetzt – mit einer Straßenkarte vermeiden. Dafür sollte man allerdings absteigen. Ich kann nicht wirklich aus Erfahrung sprechen: ich habe noch nie versucht, beim Fahrradfahren zu lesen, meine Intuition sagt mir aber, dass ich es auf diesen Versuch auch nicht ankommen lassen sollte. Auch wenn mir manchmal eine selbstzerstörerische Ader nachgesagt wird, ist das ein Abenteuer, auf das ich gut verzichten kann. Beim Fahrradfahren höre ich nicht mal Musik, sonst würde mir ja auch das wütende Hupen der Autofahrer entgehen, die ich mit meinem individuellen Fahrstil verärgert habe. Beim Sitzergometer ist das ganz anders. Musik hören geht super, denn dass ich jemandem die Vorfahrt nehmen würde, ist nun doch eher unwahrscheinlich. Lesen – habe ich einmal geschrieben – würde ich auf dem Ergometer nicht. Das hat sich mittlerweile geändert. Wenn ich mich für eine Stunde aufs Ergometer setze und nicht gerade High-Intensity-Intervall trainiere, kann ich ganz gut etwas Leichtes lesen.

Die Sonne und der Schweiß

Drinnen Schwitzen oder draußen versonnenbranden?

Drinnen Schwitzen oder draußen versonnenbranden?

Die wundervolle Sonne macht es hell und warm; sie ist unsere Lebensquelle und Inspiration; sie ist Symbol für Aufklärung und gilt vielen Kulturen als göttlich; sie macht braun und fühlt sich auf der Haut schön an. Kurz: Sonne ist ziemlich cool. Sonne hat man aber nur auf dem Fahrrad. Obwohl, man kann sie auch auf dem Ergometer haben, wenn man sich sein Ergometer in den Garten stellt (Ergometer mit Generatorsystem oder einem ewig langen Stromkabel). Ich kann mir das allerdings nicht wirklich vorstellen. Man schwitzt auf dem Ergometer sowieso schon viel stärker als auf dem Fahrrad. Der kühlende Fahrtwind entfällt nämlich, da läuft einem ratzfatz die Suppe in Strömen aus dem Gesicht. Die Kühlung durch den Fahrtwind hat aber auch ihre Nachteile, zumindest für solche Sonnencreme-Vergesser wie mich. Der Fahrtwind kühlt die Haut, nur juckt das die UV-Strahlung äußerst wenig. Die geht nämlich trotzdem in die Haut und am nächsten Tag hat Herr Werner die titelgebende Scharlachröte auf Beinen, Knien, Unterarmen und ganz besonders auf der Nasenspitze. Das wird um so schlimmer, je mehr Pausen man macht, um Sonne, Wasser, Blick, Grün oder Ähnliches zu genießen.

Landschaft und Strecke

Zum Beispiel dieser Blick auf Schleswig --- schööön

Zum Beispiel dieser Blick auf Schleswig — schööön

Auf der Fahrradtour bekommt man natürlich was zu sehen: schöne Landschaften z.B.. Oder Wasser, ein altes Gebäude, einen Hund, der witzige Sachen macht, Touristen, die noch witzigere Sachen machen, sehr verbrannt und manchmal sehr hübsch sind oder Heinz Hoenig, der vor ca. einem Jahr an die Schlei gezogen ist. Das hat man auf dem Ergometer nicht. Da sieht man entweder den eigenen Fitnessraum (hoffentlich mit Fernseher) oder man sieht andere mehr oder minder stark schwitzende Menschen in einem Fitness-Studio. Ich finde der landschaftliche Aspekt spricht eindeutig für das Fahrrad. Auf der anderen Seite ist man beim Fahrradfahren der Strecke schon recht stark ausgeliefert. Das ist für uns hier in Schleswig-Holstein nun nicht so das Problem – für mich als anständigem Nordfriesen ist der Deich nach wie vor ein zwar überwindbares aber dennoch sehr hohes Hindernis. Will sagen: hier im Norden ist es flach und der nächste Deich, um Bergfahrten zu trainieren, ist nicht immer um die Ecke. Im bergigeren Süden hingegen ist vielleicht manchmal viel zu viel Bergtraining angesagt. Auf dem Ergometer hingegen hat man jederzeit die Möglichkeit, den Widerstand entweder nach oben oder nach unten zu regeln.

Fliegen und was sonst noch kreucht und fleucht

Ja ich weiß: Was mein Gesicht verdeckt, macht mich schöner. Trotzdem trage ich keine Sonnenbrille oder sehr sehr selten. Gerade auf dem Fahrrad kann das aber ganz schön ins Auge gehen [Kalauer, Schenkelklopfer], gerade wenn man wie ich etwas schneller unterwegs ist. Da ist so eine in den Fahrtweg schwirrende Fliege schon einem mittelschweren Asteroiden-Einschlag vergleichbar.

Leistungsmessung

Ungeplante Stopps können z.B. durch plötzlich entstehende Flüsse hervorgerufen werden

Ungeplante Stopps können z.B. durch plötzlich entstehende Flüsse hervorgerufen werden

Leistungsmessung ist natürlich auf beiden Geräten möglich. Mit GPS-Uhren lässt sich bei der Fahrradtour natürlich ganz ausgezeichnet die Strecke festhalten. Durchschnittsgeschwindigkeiten für bestimmte Streckenabschnitte lassen sich analysieren und mit einem Brustgurt (wenn man das denn auf sich nehmen mag) lässt sich auch die Herzfrequenz messen. Mit weiterem Zubehör wie Cadence (Trittfrequenz)-Sensoren haben auch Radfahrer mit höheren Zielen sehr gute Analysetools. Ein Problem bei der kontinuierlichen Leistungsmessung sind natürlich unvorhergesehene Stopps. Will man solche ausschließen, sollte man seine Strecke schon vorher sehr genau planen.

Probleme mit der Streckenplanung gibt es auf dem Ergometer weniger, denn es geht immer gerade aus. GPS-Uhren sind eher überflüssig. Die Leistungsmessung auf Ergometern hängt stark vom Modell ab. Bei vielen Modellen ist sie aber sehr viel detaillierter. Vor allem bieten Ergometer (das ist sogar ihr bestimmendes Merkmal) die Möglichkeit der Wattanzeige und wattgenaues Training. Das ist so auf dem Fahrrad nicht möglich. Werte wie Geschwindigkeit, Trittfrequenz etc. lassen sich auf dem Ergometer auch ohne zusätzliches Zubehör anzeigen. Wie exakt diese Daten sich auf Fahrradfahren übertragen lassen, weiß ich leider nicht. Ich habe da das Gefühl, dass sich Fahrradfahren und Ergometer fahren schon recht unterschiedlich anfühlen.

Die Sonderformen: Recumbent Bike oder Liegefahrrad

Hasse ich auf der Straße. Wo die B76 die Landenge zwischen Schlei und Haddebyer Noor passiert, ist der Fahrradweg eher eng. Und die Asphalt-Qualität entspricht ungefähr dem Zustand deutscher Autobahnbrücken. Wenn einem dort eines dieser Liegefahrräder entgegen kommt, wird es ganz schön eng. Noch schlimmer, wenn eines dieser Dinger vor mir fährt. Denn oft hören die Fahrer schlecht, was ein ordnungsgemäßes Überholen mit Klingel-Ankündigung – an dem mir natürlich gelegen ist – zu einem ziemlich wilden Unterfangen macht. Zu Hause können Recumbent Bike und Upright Bike nebeneinander trainieren. Vorteil Recumbent Bike, denke ich.

Fazit: auf dem Fahrrad oder dem Ergometer trainieren?

Also: Fahrradtour mit Spaß und evt. Thore, zum fit werden nutze ich aber das Ergometer

Also: Fahrradtour mit Spaß und evt. Thore, zum fit werden nutze ich aber das Ergometer

Wenn man mir diese Frage so stellt, ist die Antwort für mich einfach: Zum Trainieren, zum fit werden, nehme ich das Ergometer. Mit Trainieren meine ich aber auch Leistungssteigerung oder mindestens Kalorien verbrennen. Das passiert bei einer Fahrradtour auch – ganz automatisch. Aber das wird niemals der Anlass dafür sein, dass ich mich aufs Fahrrad schwinge. Auf dem Fahrrad will ich einfach nur durch die Gegend fahren und vielleicht irgendwo unterwegs einkehren oder eine Kleinigkeit essen. Dieses Fahrradfahren hat keinen tieferen Grund außer die Zeit zu genießen. Oder ich will tatsächlich irgendwohin, zum Beispiel zur Arbeit oder zum Bäcker oder zum Weinhändler. Auf dem Ergometer hingegen will ich Kalorien verbrennen und gebe deswegen auch viel mehr Gas.

PS: Warum war diese Studie scharlachrot? Ich wollte mich sicher nicht mit der Scharfsinnigkeit eines Sherlock Holmes messen – der erste Sherlock-Holmes-Roman heißt Eine Studie in Scharlachrot. Nein, während ich das hier tippe, denke ich an scharlachrote Arme. Bei der letzten Fahrradtour im Sommer war ich wohl etwas sparsam mit der Sonnencreme mit der Konsequenz: böser Sonnenbrand. Wäre mir zu Hause auf dem Ergometer nicht passiert. War es trotzdem Wert, denn es gab Krabbenbrötchen in Husum.


Christian verfolgt seit einigen Wochen einen besonders ehrgeizigen Plan: Er will alles ausprobieren, was etwas mit Fitness zu tun, um herauszufinden, wie man [er] mit Spaß fit werden kann. In der nächsten Woche wird er sich dem Thema Elektrolyten annähern, diese gehen beim Schwitzen ja verloren. Und das ist einer der Gründe, warum die Dehydration des Sportlers größter Feind ist

2 thoughts on “Fahrradtour oder Ergometer: eine Studie in Scharlachrot

  1. Mario

    Ich nutze das Ergometer vor allem bei schlechtem Wetter. Aber ich finde es gibt nichts schöneres, als bei gutem Wetter mit einem richtigen Fahrrad unterwegs zu sein. 🙂

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    1. Christian Werner Beitragsautor

      Hallo Mario, danke für Deinen Kommentar. Mir geht es ja tatsächlich ähnlich. Es ist halt so, dass ich immer eine Fahrradtour vorziehen würde, so lange das Wetter gut ist. Nur fühlt es sich eben nicht wie „Training“ an, weil ich die Anstrangung nicht so merke, bzw. oft erst abends auf der Couch ;-). Beim „Training“ auf dem Ergometer komme ich viel mehr ins Schwitzen, wahrscheinlich nur weil der Fahrtwind fehlt.

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